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Tunguska - der ideale Fall für Phantasten


Absturz eines Meteoriten in die Erdatmosphäre

Bild: Spektrum der Wissenschaft

Tunguska - der ideale Fall für Phantasten

„Alles spricht für den Besuch eines außerirdischen Raumschiffes vom Sternbild Schwan und einer Kernexplosion des Triebwerkes. Solange nicht ein einziger, exakter, unbezweifelbarer wissenschaftlicher Beweis für dies Phänomen – und manches andere – vorliegt, hat niemand das Recht, eine im Bereich des Denkbaren liegende Deutung unbegründet abzulehnen.“(10)

Erich von Däniken

Na, da haben wir den Salat. Uns ärgert besonders die zweite Feststellung. Einer denkt sich was aus und die Anderen sollen es beweisen. Also beweist doch mal, dass die Außerirdischen nicht da waren! Das geht aber nicht, denn was nicht passiert ist, kann natürlich auch keiner beweisen.

Also: machen wir jetzt einen Sprung in die phantastische Literatur, denn dort gehört das Thema hin. Das hat aber bislang viele Hobbyforscher und sogar Fachexperten nicht abgehalten, dennoch darüber wissenschaftlich zu urteilen.

Die Tunguska-Katastrophe ist ein Paradebeispiel für einen Vorgang, aus dem sich schriftstellerisch und pseudowissenschaftlich fast alles machen lässt. Das Ereignis ist lange her, geschah in einer der einsamsten Gegenden Sibiriens, angebliche Zeugen wurden erst 20 Jahre später befragt und weltweite Himmelserscheinungen machen alles noch spannender.

Es krachte unheimlich, aber kaum jemand hat es gehört

Am 30. Juni 1908 fand am Himmel der Taiga in der Nähe des Flusses Steinige Tunguska im sibirischen Gouvernement Jenisseisk (heute Region Krasnojarsk) ein außergewöhnliches Ereignis statt. Ein Körper, heller als die Sonne, bewegte sich am Himmel. Um 8 Uhr Ortszeit bebte die Erde und eine Druckwelle raste um den Planeten. In fernerer Vergangenheit wurde die Erde allerdings schon mehrmals von größeren Körpern aus dem All getroffen.

So entstand das Nördlinger Ries vor rund 15 Millionen Jahren durch den Einschlag eines 1,5 Kilometer im Durchmesser großen Meteoriten, der mit rund 150.000 Stundenkilometern die Erde traf und einen Einschlagskrater von rund 20 Kilometer Durchmesser hinterließ.

Der Arizona Krater mit einem Durchmesser von 1.200 Metern und einer Tiefe von 180 Metern entstand vor rund 50.000 Jahren. Der vorwiegend aus Eisen bestehende Meteorit hatte einen Durchmesser von 45 Metern und ein vermutetes Gewicht von 300.000 Tonnen. Die Aufschlaggeschwindigkeit wird auf rund 100.000 Stundenkilometer geschätzt, die Explosion war vermutlich dreimal so stark wie die der Tunguskakatastrophe.

Welches Glück, dass es damals die heutigen Spezialisten noch nicht gab. Welche Größe hätte man sonst dem Raumschiff zugewiesen?

Auch viele Jahre nach der Katastrophe war die Verwüstung des Waldes noch auf einer großen Fläche zu erkennen.

Bild: Archiv Allmysterie

Am Katastrophenort an der Tunguska wurden auf 2.000 Quadratkilometer Fläche und bis zu 30 Kilometern im Umkreis geschätzt 60 Millionen Bäume vernichtet. In einer Entfernung von 65 Kilometern vom errechneten Epizentrum befand sich damals die Handelsniederlassung Wanowara. Hier wurden noch Fenster und Türen eingedrückt, doch auf Grund der dünnen Besiedlung dieses Gebietes gibt es keine Berichte von Verletzten oder Toten.(1)

Ein Zeuge, der sich 60 Kilometer vom Zentrum der Explosion befand, sagte 20 Jahre später:

„Ich saß vor meiner Haustür und blickte nach Norden, als plötzlich im Nordwesten ein gewaltiger Blitz aufleuchtete. Es entstand eine so große Hitze, dass mein Hemd am Rücken fast versengt wurde. Ich sah eine riesige Feuerkugel, die einen großen Teil des Himmels bedeckte. Danach wurde es dunkel, gleichzeitig spürte ich eine Explosion, die mich von meinem Hocker schleuderte und ich verlor das Bewusstsein.“(2)

Den Ereignissen des 30. Juni 1908 folgte ein weltweites nächtliches Schauspiel. Die Leuchtkraft des Nachthimmels soll 50 bis 100-fach größer als normal gewesen sein. In Deutschland berichteten Max Wolf und F. S. Archenhold über einem lang gestreckten rötlichen Lichtbogen, der eine solche Intensität zeigte, die sonst nur ein helles, nahes Feuer am Himmel zu erzeugen vermag. Die Astronomen erklärten damals das Phänomen als Zusammenstoß einer kosmischen Staubwolke mit der Erde, die das Sonnenlicht lange reflektierte.

Kulik kommt 19 Jahre zu spät

Bei einer ersten Expedition im Jahr 1921 gelangte der Leningrader Geologe Leonid Kulik (1883 bis 1942) nicht bis ins vermutete Epizentrum. Er konnte nur im südwestlich gelegenen, einige hundert Kilometer entferntem, Kansk Informationen sammeln.

Im Februar 1927 rüstete dann die Akademie der Wissenschaften der UdSSR eine wieder vom Mineralogen Leonid Kulik geleitete Expedition aus, um nun endlich an die Aufschlagstelle des Meteoriten zu gelangen. Ende März 1927 begann Kulik mit der Erkundung des Gebietes nördlich der Steinigen Tunguska. Seine Basis war die Handelsniederlassung Wanowara, die am Fluss nahe am Längenkreis von 72 Grad Ost liegt. Kulik hatte mehrfach versucht, das vermutete Epizentrum zu erreichen, doch das war auf dem Landweg wieder nicht möglich. Von den Schwierigkeiten zeugt noch ein erhalten gebliebener Schwarz-Weiß Schmalfilm. Mühsam kämpften sich Kulik und seine Helfer durch die Tundra, ständig umschwirrt von Mückenschwärmen, konnten sie nur die Flussläufe nutzen.(13)

Schließlich gelang es ihm und seinen Begleitern mittels eines Floßes in die vermutete Mitte des Fallgebietes zu gelangen. Da hier im Umkreis von vielen Hunderten von Kilometern keine astronomischen Bezugspunkte vorhanden waren und Karten völlig fehlten, konnte Kulik die Ortsbestimmung nur auf 61 Grad nördlicher Breite und 71 Grad östlicher Länge schätzen.

Das zentrale Fallgebiet hatte einen Durchmesser von mehreren Kilometern und lag an der Wasserscheide zwischen dem Becken des Flusses Tschunja und der Hochebene der Steinigen Tunguska. Das Gebiet ist ein großer Kessel, umgeben von Bergkämmen mit einigen Gipfeln, Tundra, Sümpfen, Seen und Bächen.

Nach Aussagen der Eingeborenen sei dieses Gebiet vor nicht langer Zeit ein normaler Teil der Taiga gewesen, doch Kulik fand innerhalb und außerhalb des Kessels praktisch alles zerstört. Die Bäume lagen in Reihen auf dem Boden, ohne Äste und Borke, in der dem Zentrum des Falls entgegengesetzten Richtung. Kulik berichtete weiter auch von den Beobachtungen einiger Eingeborenen, sie hießen Kosolapow und Iljitsch. Schließlich bedauerte er die mangelnden Ergebnisse seiner Expedition:

„Die Untersuchung, die ich vornehmen konnte, war infolge von Zeitmangel und wegen des Fehlens technischen Geräts nur gedrängt und unvollkommen. Eine weitere, ins Einzelnegehende Erforschung des Fallgebietes ist unbedingt erforderlich. In der Literatur über Meteorite, wenn man alte Chroniken ausschaltet, treten niemals Beschreibungen von Feuerstürmen auf, die durch den Fall eines Meteoriten hervorgerufen wurden, obwohl es in der Vergangenheit Feuerstürme gegeben haben muss. Schließlich erfordert die Verteilung der Krater in diesem Gebiet eine eingehende Untersuchung, da dieser Meteoritenfall hinsichtlich seiner Masse und Geschwindigkeit ungewöhnlich erscheint.“(3)

- Leonid Kulik -

Bleibt nachzutragen, dass Kulik 1928 eine dritte, bezüglich der Klärung des Phänomens, ebenfalls erfolglose, Expedition startete. 1938 fanden noch Luftaufnahmen statt, die die Geologen auch nicht weiter brachten. Leonid Kulik starb 1942 in einem deutschen Kriegsgefangenenlager an Typhus.

Wie Fantasie die Oberhand über Wissen gewinnt

Der Ausgangspunkt für alles was folgte war also eine Katastrophe fern jeder Zivilisation mit sehr fragwürdigen Augenzeugen, die noch dazu erst Jahre später befragt werden konnten. Krimiliebhaber wissen, wie unsicher Zeugenaussagen schon wenige Tage nach einem Ereignis sein können. Eine wissenschaftliche Erklärung gab es nicht und so ließen zunächst Schriftsteller des utopischen Genres ihrer Fantasie freien Lauf, was ja ihr gutes Recht ist.

Der bekannteste von ihnen war der Pole Stanislaw Lem (1921 bis 2006). Neben Fantasie hatte er auch eine große Portion Humor. So schilderte er in einem Buch einen einsamen Raumschiffpiloten, der an seinem Schiff eine durch die Bordwand ragende Schraube mit zwei Muttern festziehen musste. Doch dazu fehlte der zweite Mann. Kein Problem, mit dem Phänomen der Zeitreise konnte der Pilot von draußen und drinnen sich selbst helfen.

Lem hat in einem seiner Bücher auch eine plausible Erklärung angeboten, warum es auf der Erde vorwiegend linksdrehende Aminosäuren gibt und so ganz falsch lag er dabei gar nicht. Fremde Astronauten passierten einst den Erdorbit und mussten ihren Müllkübel mit Eiweißresten entsorgen. Damit der Eimer dann auch beim Ausschütten richtig leer wurde, haben die Kollegen nochmal umgerührt, linksherum versteht sich. Eine Theorie für heute auf der Erde vorkommenden, vorwiegend linksdrehenden Aminosäuren lautet, dass rechtsdrehende auf Meteoritenoberflächen beim Flug durch das All von der kosmischen Strahlung eher zerstört werden. Na wer sagt es denn?

Weiter zu Lems phantastischer Schilderung der Tunguska-Katastrophe:

„Das Weltraumschiff muss für irdische Begriffe gewaltige Ausmaße gehabt haben. Die Lebewesen, die sich darin befanden, wählten die weiten, waldlosen, Ebenen in der Mongolei zur Landung. Infolge der außerordentlichen Geschwindigkeit gelang es dem Piloten offenbar nicht, in der Mongolei zu landen. Ein Motorendefekt hatte die Besatzung zur Eile gezwungen. Nun schaltete man die Bremsvorrichtungen ein, die aber nur stoßweise, mit Unterbrechungen arbeiteten. Der ungleichmäßige Widerhall klang den Bewohnern Sibiriens wie Donnergrollen. Als sich das Raumschiff über der Taiga befand, entwurzelten die glühenden Gase, die den Bremsdüsen entströmten, die Bäume und warfen sie um. So entstand die hunderte Kilometer lange Gasse von umgestürzten Stämmen durch die sich später die sibirischen Expeditionen mühsam ihren Weg bahnen mussten. Das Schiff, eine ungeheure Masse weiß glühenden Metalls, wurde manövrierunfähig, sackte durch, taumelte und drehte sich, von den unregelmäßig arbeitende Motoren hin und her geworfen, um seine Achse. Das Raumschiff überflog den äußeren Ring der Hügel und erhob sich zum letzten Mal. Dort hoch über dem Talkessel trat dann die Katastrophe ein.“(5)

Stanislaw Lem.

Peter Hertel traf Alexander Kasanzew 1974 in seiner Moskauer Wohnung.

Bild: Hertel

Ihm folgten zahlreiche Autoren, bei denen es oft nicht möglich ist, zu unterscheiden, ob sie aus dem Bereich der Wissenschaft kommen, oder ob sie reine utopische Schriftsteller sind.

Zu letzteren zählt jedenfalls auch der Moskauer Schriftsteller Alexander Kasanzew (1906 bis 2002). Er war Science-fiction Autor und schrieb spannende Geschichten. Er vertrat in seinen utopischen Publikationen, ebenso wie Lem, die Auffassung, dass der große Tunguskaknall auf ein gestrandetes, außerirdisches Raumschiff zurückzuführen sei. Inzwischen gab es Hinweise, dass man in den Jahresringen 1908 der Bäume am Katastrophenort eine erhöhte Radioaktivität festgestellt habe. In einem Sonderdruck des Kernforschungsinstitutes Dubna scheute man sich daher nicht, ein Fazit mit folgendem Satz zu ziehen:

„... Mit anderen Worten kehren wir (wie phantastische das auch aussehen möchte) zu der Hypothese zurück, dass die Tunguska-Katastrophe durch die Havarie eines Raumschiffes für dessen Motor als Brennstoff Antimaterie verwendet wurde, führte.“(7)

- W.N. Mechedow -

Nicht verwunderlich, dass der freundliche Alexander Kasanzew uns stolz diesen Sonderdruck überreichte. Wir können die Messwerte nicht prüfen, möchten aber dennoch feststellen, dass die Fachleute aus Dubna auf jeden Fall mehr Humor als viele ihrer deutschen Kollegen hatten und ihre Wissenschaft so eine Äußerung auch durchaus vertragen konnte.

Wer nun annimmt, die Sache habe sich nun bald theoretisch und praktisch erledigt, irrt sich aber gewaltig. Angelika Jubelt, Hobby-Tunguska-Expertin aus Zwickau, „erforscht“ oder sollte man besser sagen „recherchiert“ seit über 40 Jahren das Tunguskaphänomen. In ihrem Buch(9)kam sie zu dem Schluss, der Theorie des weiteren russischen "Experten" Juri Lawbin zuzustimmen. Kurz gefasst: Ein riesiger Steinmeteorit raste auf die Erde zu. Ein „zufällig“ anwesendes, außerirdisches Raumschiff wollte die Menschheit retten und flog ihm in den Weg. Gratulation Angelika Jubelt, auf diese Bereicherung unseres Wissens haben wir schon lange gewartet.

Natürlich gäbe es noch eine Reihe weiterer mysteriöser Vorkommnisse anzuführen. Sie reichen von breiteren Jahresringen nach 1908, über eine Änderung des Kurses des geheimnisvollen Objektes in der Atmosphäre bis hin zu Magnetfeldanomalien. Doch das ist nicht Gegenstand dieser Betrachtung.

Die Zerstörung des Waldes war noch Jahrzehnte nach der Katastrophe zu erkennen.

Bild: Wordpresse

Ein große Enttäuschung für alle Phantasten muss die folgende, am 30. April 1960 über die Nachrichtenagenturen in Deutschland verbreitete Nachricht gewesen sein:

„Die sowjetische Akademie der Wissenschaft musste richtigstellen: Es war doch kein Weltraumschiff. Der Körper aus dem All, der im Jahre 1908 in der Tundra niederging, ist nach neuen Prüfungen der Wissenschaftler einwandfrei ein Meteorit gewesen.“(11)

Doch was bewirkt eine solche Meldung? Nichts!

Doch liebe Freunde, was lässt sich alles aus „Nichts“ machen? Suchen Sie sich was Passendes raus und schreiben Sie eine Doktorarbeit. Die Quellen gibt es für den Anfang bei uns.

Bleibt nur noch nachzutragen, dass trotz jahrzehntelanger Expeditionen vor Ort nichts gefunden wurde, was eine der phantastischen Theorien begründen könnte. Nach der Faktenlage wird es ein großer Meteorit oder ein Komet gewesen sein, der auf die Erde prallte. Schließlich sind wir uns ziemlich sicher, dass eine Nachricht von einem nachprüfbaren Fund, der wirklich auf Außerirdische schließen ließe, sich blitzschnell verbreitet hätte – auch wenn sie erfunden wäre!

Der erste deutsche Kosmonaut Siegmund Jähn fand eine geniale Lösung des Problems und schlug mal in einem Interview vor, die Sache einfach ruhen zu lassen.

„Das Rätsel sollte bestehen bleiben, so können immer wieder Konferenzen durchgeführt, neue Versionen gesucht werden. Wenn es gelöst würde, wäre es sehr schade.“(9)

Siegmund Jähn

Literatur:

  1. Tunguska-Ereignis,https://de.wikipedia.org/wiki/Tunguska-Ereignis, abgerufen am 6.1.17

  2. Vortrag Peter Hertel, 1977/87

  3. Krassa, Peter, Tunguska, das rätselhafte Jahrhundertereignis, Ullstein 1995

  4. Krasse, Peter, Feuer fiel vom Himmel, Verlag 2000, 1980

  5. Lem, Stanislaw, Planet des Todes, Berlin, 1955

  6. Kasanzew, Alexander, Der Bote aus dem All, Moskau, o.J., Seiten 106 ff.

  7. Mechedow, W.N., Über die Radioaktivität der Baumzonen im Gebiet der Tunguska-Katastrophe, Sonderdruck DUBNA, Ne.: 6-3311 (1967)

  8. Film „Erinnerungen an die Zukunft“, Im Progress-Filmvertrieb der DDR vorübergehend ab 1973 zu sehen.

  9. Jubelt, Angelika, Tunguska, Das Rätsel ist gelöst, Ancient Mail Verlag, 2012

  10. Erich von Däniken, Erinnerungen an die Zukunft, Econ 1968

  11. Gadow, Gerhard, Erinnerungen an die Wirklichkeit, Fischer Taschenbuch 1972

  12. Privalov, P.I., Hilfe für Verfasser von Hypothesen über den Fall des Tungusischen Meteoriten, Priroda 1969, Nr. 5 Seiten 125 – 128) russ.

  13. Kulik, Originalfilmaufnahmen von 1921, https://www.youtube.com/watch?v=M4xVXw_LEZg, abgerufen am 7.12.16


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