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Das Geheimnis der alten Seefahrer

Erschienen 1990 in der Hermann Haack Verlagsgesellschaft mbH Geographisch-Kartographische Anstalt Gotha, ISBN: 3-7301-0650-3

Geographische Bausteine, Neue Reihe, Heft 38

120 Seiten, 34 Abbildungen  im Text, 9 Fotos in der Anlage, weiterführende Literatur,

Erhältlich nur noch über den Autor, Preis: 14,50 € (portofreie Zusendung)

Aus dem Inhalt

 

  • Die Orientierung der Tiere - Vorbild der frühen Seefahrer

  • Die Bezwingung der Ozeane

  • Pytheas fährt nordwärts

  • Brendans Reise nach Amerika

  • Wikinger navigieren im Nordatlantik

  • Mehr Sicherheit durch technische Hilfsmittel

  • Der Weg zur modernen Seefahrt

  • Vom Südweiser zum Schiffskompass

  • Die Bestimmung der Zeit

  • Das Lot für die Ermittlung der Wassertiefe

  • Das Log zur Messung der Schiffsgeschwindigkeit

  • Winkelmessgeräte für die Gestirnshöhenmessung

  • Erfahrungen und Hilfe vom Land

  • Landmessungen in der Antike

  • Tag und Nachtzeichen für die Küstennavigation

  • Kolumbus fand sein Indien

  • In der Wasserwüste des Pazifiks

  • Phantastische Navigationsleistungen im Dunkel der Geschichte

  • Die Vögel als Gehilfen der Piloten

  • Die Natur als Verbündeter des Seemanns

 

Vorwort

 

Mit der weiteren Erforschung der Kulturgeschichte verschiedener Völker in den letzten Jahrzehnten kamen mit dem Wissen auch immer mehr Zweifel auf. Man hielt es nicht für möglich, dass diese Menschen mit oft so „primitiven“ Hilfsmitteln überhaupt derartige Leistungen vollbringen konnten, und es waren vor allem die Polynesier, die uns durch die Bewältigung des großen Pazifiks Rätsel aufgaben.

Schuld an diesem Dilemma hatten und haben oft die Gelehrten selbst. Sie vergessen meist, dass zu jeder Zeit zahlreiche Erfolge vom Vorhandensein fähige Köpfe abhängen. So schrieb BREUSING 1886:

 

„Wenn wir uns aber gestehen müssen, dass noch jetzt die Meteorologie auf den Namen einer Wissenschaft im strengen Sinne keinen Anspruch machen kann, so wollen wir den Alten keinen Vorwurf daraus machen, dass alles was sie zum Beispiel von Luft- und Meeresströmungen wussten, sich auf solche Tatsachen beschränkte, wie sie sich auch dem blödesten Auge aufdrängen.“

 

Zu schade, dass die Alten sich nicht mehr verteidigen können. Sie würden uns in Erstaunen versetzen, insbesondere durch den Wirkungsgrad ihrer „primitiven“ Hilfsmittel. So lesen wir weiter:

 

„Was die Zeitmessung betrifft zu hatten die Sonnenuhren des Altertums ungefähr den Wert von Uhren, die bei Einbruch der Dunkelheit oder fehlendem Sonnenstand stehen bleiben.“

 

Natürlich, nur mit dem Unterschied, das eine stehengebliebene Uhr kaum am nächsten Tag wieder richtig weitergeht und bekanntermaßen auch die Sterne Auskunft über die Nachtstunde geben können.

 

Die alten Seefahrer vollbrachten navigatorische Spitzenleistungen, doch was versetzte sie in die Lage dazu? Mit dem Beginn des Zeitalters der Entdeckungen mussten die Piloten mühsam geschult werden. Von den Schwierigkeiten berichtete Pero Nunes genannt Nonius, in der Mitte des 16 Jahrhunderts:

 

„Warum geben wir uns mit diesen Piloten ab, mit ihrer gemeinen Redeweise und ihren rohen Sitten? Sie kennen weder Sonne, Mond und Sterne noch ihre Bahnen, Bewegungen, Deklinationen. Sie wissen nicht wann sie auf- und untergehen und in welchem Neigungswinkel sie zum Horizont stehen, unbekannt sind ihnen Breiten und Längen der Orte auf der Erdkugel,  sowie die Astrolabien, Quadranten, Kreuzstäbe und Messuhren, endlich auch die verschiedenen Jahresbegriffe, das gewöhnliche Jahr das Schaltjahr, das Äquinoktialjahr und das Sonnenjahr.“

 

Durch die zunehmend professionelle Ausübung der Seefahrerei im zivilisierten Europa ging das verloren, was die alten Seefahrer sicher über das Meer geleitet hat: die enge Verbindung zur Natur.

Der Autor vertritt die Auffassung, dass darin die Geheimnisse der alten Seefahrer begründet sind. Die Piloten waren beispielsweise auf den Inseln Polynesiens Kinder des Meeres. Vater, Großvater und Urgroßvater waren schon zur See gefahren und hatten ihnen all das beigebracht was sie für Fahrten unbedingt wissen mussten. Mit äußerster Aufmerksamkeit orientierten sie sich auf ihren oft tausende Kilometer langen Fahrten an der Natur und brauchten in diesem Stadium noch keine komplizierten Messgeräte.

 

Der Autor möchte aber keinesfalls so verstanden werden, dass er den heutigen Navigatoren jede Naturkenntnis abspricht. Im Gegenteil. Doch kannten die alten Seefahrer die Erscheinung der Natur viel besser, da sie unmittelbar von ihr abhängig waren, während heute diese Abhängigkeit viel geringer ist. Wissenschaftliche Erkenntnisse und Hilfsmittel sind an die Stelle ausschließlicher Naturbeobachtung gerückt. Die Geschwindigkeiten und Distanzen sind heute erheblich größer geworden, und der Wert dessen, was ein Kapitän mit seinem Schiff in den Hafen oder auf Grund bringen kann, lässt es undenkbar scheinen, heute einen alten Piloten an dem Ruder zu postieren, der nach dem Geruch der Luft und dem Aussehen der Meereswellen navigiert.

Schon im Tierreich spielt die Orientierung im Raum eine wichtige Rolle. Dort liegen die Anfänge der Navigation und von da aus wollen wir unsere Betrachtung beginnen.

Das ist ein chinesischer Südweiser, genannt „Sse nan“. Der kleine hölzerne Wagen enthält eine Mechanik, die gleich wie der Wagen bewegt wird, den Piloten mit seinem Finger immer in die eingestellte Himmelsrichtung zeigen lässt. Man darf den Wagen nur nicht aufheben und anders wieder aufsetzen.

Aus einem hölzernen Fisch, der ein Stück Magneteisenstein enthält und in einer Schale mit Wasser schwimmt, bauten sich die Araber schon im 13. Jahrhundert einen einfachen Kompass.

So kurios es klingen mag, auch Vögel dienen der Navigation. Das älteste Beispiel findet man in der Bibel. Noah sandte von seiner Arche Vögel aus, um zu erkunden, ob das Wasser der Sintflut wieder sinkt. Für Seereisende ist nach einem längeren Aufenthalt auf hoher See auch heute noch der erste Besuch von Vögeln ein Hinweis, dass die Reise bald zu Ende geht.

Kolumbus fuhr 1492 nach Indien und fand Amerika. Das ist bekannt. Weniger bekannt ist, dass er vor seiner Reise von dem italienischen Kartographen Toscanelli die abgebildete Karte erhielt. Da die Größe von Asien nicht genau bekannt war, berechnete Toscanelli den Atlantik falsch und Kolumbus traf nicht auf Japan und Indien sondern auf Amerika.

 

Doch zurück nach Polynesien

 

Ein europäischer Schonerkapitän mit einer gemischt polynesischen Mannschaft wollte einmal prüfen, ob das Navigationsvermögen der Polynesier wirklich so gut sei, wie immer berichtet wurde. Er versteckte in einer regnerischen und bewölkten Nacht seinen Kompass und sagte seiner Mannschaft er sei zerbrochen. Er bat um ihre Mithilfe, um das Ziel doch noch zu erreichen.  Am nächsten Morgen erwachte der Kapitän und sah die Insel voraus.  Erstaunt fragte er die Polynesier, wie sie wissen konnten, dass sich die Insel genau hier befände.

Nun antworteten sie, weil sie immer hier ist.

 

Das Geheimnis der alten Seefahrer ist Summe der Erfahrungen ihrer Naturbeobachtungen und Naturkenntnisse.

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